Verfassungswidrigkeit eines so genannten "Treaty override"
veröffentlicht am 15. Februar 2014BFH vom 11.12.2013 - I R 4/13
Der 1. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) hat die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines so genannten "Treaty override" dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Anlass des Vorlagebeschlusses ist die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG. Sondervergütungen, die der im Ausland ansässige Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft erhält, gelten demnach bei Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) "(...) zum Zwecke der Anwendung des Abkommens (...)" als Unternehmensgewinne und nicht als Arbeitslohn oder Zins. Folge dieser Qualifikation ist, dass das Besteuerungsrecht nach dem DBA Deutschland zusteht. Demgegenüber handelt es sich bei derartigen Einkünften nach Auffassung des BFH um Arbeitslohn oder Zinsen, was regelmäßig zur Folge hat, dass das jeweilige Besteuerungsrecht insoweit dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters zusteht, jedenfalls nicht Deutschland.
Im Streitfall war ein in Italien wohnender Gesellschafter einer inländischen KG betroffen, der der KG ein Darlehen gewährt hatte und die hiermit in Zusammenhang stehenden Zinseinkünfte in Italien versteuern wollte. Das zuständige Veranlagungsfinanzamt (FA) verwehrte ihm dies unter Hinweis auf § 50d Abs. 10 EStG.
Der BFH vertritt die Auffassung, dass die Regelung nicht im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehe. § 50d Abs. 10 EStG setze sich einseitig über völkerrechtlich vereinbarte Qualifikationsregelungen hinweg. Der Völkerrechtsvertrag werde hierdurch gebrochen.
Das Mittel des "Treaty override" ist seit langem Gegenstand umfangreicher Diskussion. Da der deutsche Steuergesetzgeber in einer Vielzahl nationaler Regelungen völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen negiert, ist davon auszugehen, dass zukünftig weitere Vorlagebeschlüsse zu entsprechenden Regelungen des nationalen Rechts erfolgen werden.